Unschuldig!

Unsere Welt basiert auf Konzepten der Schuld.

Das geht schon im Kindesalter los. Wenn du gestern lieb gewesen wärst, dann würdest du heute ein Eis bekommen. Wenn du dich nicht hinsetzt und lernst, dann wird aus dir mal nichts werden. Hättest du damals mehr gelernt, dann wäre aus dir etwas vernünftiges geworden. Jeder hat es selbst in der Hand. Wirklich?

Wenn man sich die Lebensläufe von verschiedensten Menschen einmal ansieht, dann stellt man fest, dass alles irgendwie passiert ist. Ich sage bewußt nicht zufällig, am Ende hat alles seinen tieferen Sinn und ergibt ein harmonisches Gesamtbild. Hätte mir jemand vor 20 Jahren gesagt, Fabian du wirst später mal in Rio wohnen, ich hätte wohl herzhaft gelacht. Heute sitze ich hier an der Copacabana und schreibe einen Blog, wie ist es eigentlich dazu gekommen? Habe ich als Person das so geplant? Bin ich daran schuld? Wie hätte Angela Merkel als Schülerin darauf hinarbeiten können, Bundeskanzlerin in der BRD zu werden? Zu dieser Zeit war gar nicht absehbar, dass die Mauer irgendwann fallen wird. Ist sie daran schuld? Adolf Hitler war um 1910 ein eher schlechter Kunstmaler in Wien und dachte zu dieser Zeit in keinster Weise daran, dass er mal Auslöser eines Weltkrieges sein wird. Wer aber war dann bloß schuld an diesem Unheil?

Machen wir da mal einen Punkt. Man sieht sehr schön, dass wir einer Illusion aufsitzen. Der Illusion des freien Willens. Wir denken jeden Tag, wir entscheiden uns aktiv für etwas. Im Moment der Entscheidung fühlt es sich stark so an. Aufstehen. Kaffee trinken. Pünktlich zur Arbeit fahren. Ohne unsere Entscheidungen geht es doch gar nicht. Überprüfen wir jedoch im Nachhinein ob das wirklich stimmt, dann erkennen wir, dass da mehr ist als unsere Entscheidung. Ein Verkehrsunfall blockiert die Straße, der Wecker hatte nicht wie geplant geklingelt und zu allem Überfluss war noch der Kaffee alle. Wir hatten uns vorher eindeutig dazu entschieden pünktlich und mit Kaffee im Bauch zur Arbeit zu kommen, nun sind wir plötzlich zu spät und schläfrig. Komisch, wo ist unser freier Wille auf einmal hin? Ist das unsere Schuld?

Alles passiert exakt so, wie es passieren muss. Alles was ist, ist wie es ist. Weil es so ist. Es kann gar nicht anders sein. Denn wenn es anders sein könnte, würde es ja anders sein. Du kannst nichts ändern. Du musst nichts ändern. Alles ist richtig, so wie es ist. Und das Wichtigste: Du bist nicht schuld. Niemand ist schuld! Also entspannen wir uns und versuchen das Leben zu genießen. Hier und jetzt. Versuchen nicht zu bewerten oder zu vergleichen, denn das macht keinen Sinn. Jeder hat seine individuelle Realität. Eingepresst in unsere vielfältigsten Schuldkonzepte.

Alle, ja wirklich alle Religionen, basieren auf Schuld. Im Christentum heißt es zum Beispiel, dass Jesus die Schuld von allen Menschen auf sich genommen hat. Nun schulden die Gläubigen ihm bzw. Gott natürlich etwas. Aber zum Glück ist es so, wenn man seine Schuld ordentlich bereut, wird am Ende alles gut und man bekommt einen Platz an der Sonne. Im Islam ist es mit Gott nicht ganz so einfach. Seine Schuld loswerden kann man eigentlich nur sicher, indem man für seinen Gott im Kampf stirbt. Und selbst im Buddhismus findet sich Schuld als ein Hauptmotiv wieder, in Form von Karma. Jedem Handeln folgt unweigerlich eine entsprechende Antwort. Und wenn nicht in diesem Leben, dann eben im nächsten Leben. Selbst schuld!

Es ist verdammt schwer aus diesen starren Konzepten auszubrechen, gerade in Bezug auf den Bereich der Religionen. Aber zum Glück nicht unmöglich, ich arbeite täglich daran. Vielleicht entwickle ich ja sogar irgendwann mal einen Workshop: Schuld(en)frei in 3 Tagen. Aber wie nur treibe ich dann hinterher mein Geld ein? Auch irgendwie doof.

Namasté, ick meld ma!

Wenn ich nicht der Handelnde bin, warum sollte ich dann Schuldgefühle haben, warum sollte ich Stolz empfinden, warum sollte ich jemanden hassen? Keine Schuld, kein Stolz und kein Hass machen das Leben einfach. Was braucht man denn sonst noch im Leben? Vergessen Sie die Spiritualität, vergessen Sie die Suche. Was braucht man denn im Leben? Keine Schuld, kein Stolz, kein Hass, kein Neid machen das Leben einfach, und das bedeutet Frieden. (Ramesh S. Balsekar)